Aus der Serie «Natitingou – Aus dem Afrika-Tagebuch eines Toubab». Folge 7.

So lautete der Fachausdruck einst: Durch die «Entwicklungshilfe» sollten Hilfsbedürftige, Arme, Kranke und Aussätzige gerettet werden. Dann kam es zur Scheidung: Humanitäre Nothilfe bei Erdbeben, Krieg und Hungersnot versus Entwicklungszusammenarbeit. Bei letzterer dürfen, können, müssen die Bedürftigen auch etwas beitragen.

Tiermondist/innen – Menschen, die sich für Nord-Süd-Gerechtigkeit einsetzen – stellten die Frage: Welche Entwicklung? Soll die ganze Menschheit in die Sackgasse der Industrialisierung, des Geldes, der verpackten Fertigwaren gezwängt werden? Könnten wir vielleicht von den Völkern des planetaren Südens etwas lernen?

Heute spricht man zumindest in Deutschland von GIZ, der Gesellschaft für Internationaler Zusammenarbeit. Die helvetische DEZA (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit) hinkt noch etwas hintennach, sie verwendet immer noch das Wort «Entwicklung».

In der Nähe von Natitingou gibt es einen wunderschönen Wasserfall mit einem Becken, in dem sich herrlich schwimmen lässt, ohne die Gefahr von Krokodilen oder sich mit der Tropenkrankheit Bilharziose anzustecken. Es ist Sonntag, wir gönnen uns einen Ausflug und sind nicht die Einzigen. Die weissen Direktoren zweier Missionsspitäler mit Frauen und Kindern. Eine Gruppe junger Afrikaner mit nigelnagelneuer Drohne. Ein Pärchen aus Frankreich, mit denen ich ins Gespräch komme.

Sie könnten in der heissen Hütte voller Skorpione kaum schlafen. Seit Jahren habe niemand mehr das Projekt besucht. Monatlich würde Geld ins Dorf geschickt, um den armen Schülern ein Mittagessen zu bereiten. Die einheimischen Projektverantwortlichen seien nicht greifbar. Es gebe keine Belege, dass das Geld tatsächlich für Nahrung für die Kinder verwendet werde.

Ratlosigkeit, Frustration, Wut und Rassismus, das ist die Abfolge der Emotionen, die tausende Hilfswillige hier erleben. Aus der Sicht der Afrikaner: Wir haben erstens ganz andere Prioritäten (z.B. eine Solaranlage fürs Privathaus, einen neuen Töff oder das Beerdigungsfest der Grossmutter), und zweitens: die Weissen sind unglaublich naiv.

Das junge Pärchen fragt mich um Rat. Sie, die Zigi in der leicht zitternden Hand, er, ziemlich cool, und er habe auch schon im Amazonasurwald übernachtet. Ich sollte ja Bescheid wissen, nach 47 Jahren Afrika. Ich weiss nicht was sagen und frage mich, wo die Menschheit steht, was die nächsten Entwicklungsschritte sein könnten und wo wir Hilfe erbitten sollen.

Die mit der Drohne sind schon zurück in die Stadt. Libellen und Vögel haben wieder ihren Frieden über dem stillen Wasser.