Happy Birthday: Die Gemeinschaft «Schloss Glarisegg» in Steckborn am Bodensee wird 20

«Achtsames In-Verbindung-Treten braucht Zeit, wenn man es nicht mehr gewohnt ist.» So heisst es auf der Internetseite der Gemeinschaft. Aus Anlass des 20-jährigen Jubiläums stellten wir Mitgründerin Sonja-Vera Schmitt «3 Fragen».

Schloss Glarisegg Gemeinschaft

Zeitpunkt: Kaum zu glauben – eure Gemeinschaft «Schloss Glarisegg» gibt es schon seit 20 Jahren! Als Gründerin: Was war damals deine Vision, was davon hat sich verwirklicht?

Sonja-Vera Schmitt: Meine Vision war von meinem Erleben in der «Deutschen Reformjugend e.V.» genährt, der Jugendorganisation der «Reform»-Häuser: vegetarisches, bewusste Ernährung, kein Alkohol/Rauchen, Natur, Singen/internationaler Volkstanz, als Teil der Essens- und Morgen/Abendrituale jeweils Singen und Stille.

Für uns Glarisegger war von Beginn an der «Ort für Begegnung und Bewusst-Sein» sehr zentral und das vertiefte Erforschen der Kreiskultur. Dafür treffen wir uns jede Woche einen Abend und drei Mal im Jahr in Intensivzeiten von drei Tagen, um unser Wissen und Erfahrung im gemeinsamen Kommunizieren zu vertiefen.

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Es ist und bleibt meine Vision, die mir sehr am Herzen liegende Kreiskultur für ein entwicklungs- und friedensorientiertes Miteinander vertiefen zu dürfen.

Neben der sozialen dürfen wir nun auch die ökologische Dimension gründlicher verwirklichen: Dazu sind wir gerade dabei unsere Ölheizung durch eine Holz-Schnitzel-Heizung zu ersetzen.

Was waren/sind die grössten Schwierigkeiten und wie geht ihr damit um?

Diese Liegenschaft fordert von Anbeginn im Bereich Ökonomie, mit guter Erdung und verbundenem Miteinander das Ganze weiterzuentwickeln. Wir haben diese Liegenschaft mit Strand am Schweizer Bodenseeufer, fünf grossen, denkmalgeschützten Gebäuden (inklusive einem Schloss von 1776), hintendran mit wunderschönem Wald mit zwei Wasserfällen und umgebende Demeter-Bauern für nur 3.4 Mill. CHF ersteigert!

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Die ersten drei Jahre landeten alle Themen des Platzes im wöchentlichen Donnerstag Abend – dies war letztendlich zu viel für alle Beteiligten. Daher haben wir den Seminarbetrieb und die Gemeinschaft getrennt. Anschliessend hat sich die Gemeinschaft für die logistischen Themen nur noch alle vier Wochen getroffen.

Seitdem haben die neue Schule, die Permakultur und der Kurs «Ecovillage Design Education» - namens «Creating a Transformative Culture» ihre eigenen Vereine und Vorstände. Die Verbindung untereinander entsteht durch die Gemeinschaftsmitglieder, die die Kreiskultur jeweils dorthin bringen.

Es gab 2009/2010 eine Krise, als die damalige Schule aus verschiedensten Gründen gehen musste und wir nur noch mit 18 Erwachsene und 2 Kindern in der Gemeinschaft waren. Daraufhin wollten externe Verwaltungsräte hier ein Altersheim etablieren.

Dann haben wir unser erstes Kennenlernwochenende gemacht und es nur auf unserer Webseite ausgeschrieben: Drei Wochen später kamen 50 Erwachsene und 10 Kinder zu uns und hatten Interesse, hier einzuziehen. Damit war unser Schwerpunkt weiterhin bei der Gemeinschaft; und die Klassenzimmer des alten Schulhauses wurden zu Wohnungen umgebaut. Nach vielen Integrationsjahren sind wir nun relativ stabil 35 Erwachsene und 20 Kinder und Jugendliche.

 

Zur wirtschaftlichen Situation

In den 20 Jahren ist auch ein vielschichtiges Unternehmen entstanden, welches 2,1 Mill. CHF pro Jahr an Umsatz generiert.

Die Liegenschaft des Gemeinschaftsprojekts ist in Besitz der Schloss Glarisegg AG mit externen und internen Aktionären. Insgesamt setzen sie 680.000 CHF Mieteinnahmen zum Erhalt und Weiterentwicklung der Liegenschaft ein.

Die Permakultur mit 7000 m2 ist neben der gemeinschaftliche Selbstversorgung ein anerkannter Ort für die Ausbildung in Permakultur.

Unser grösster Arbeitgeber mit fast nur externen Mitarbeitenden ist der Seminarbetrieb, der viele externe, internationale Seminarleiter-/besucher beherbergt und mit biologisch-vegetarischer Kost verwöhnt. Wir nennen unser Projekt von nun an «Akademie für Gemeinschaftsbildung». Bisher haben wir auch unser Erfahrungswissen an Einzelne, Gruppen und UnternehmerInnen weitergegeben in Gemeinschaftswochenenden und Intensivwochen, dem fünfwöchigen Ecovillage Design Education-Kurs namens «Creating a Transformative Culture». Nun sind wir noch bewusster bereit diese Erfahrungswelt Menschen weiter zu geben.

Was feiert ihr – und wo und wann kann man euch besuchen? 

Wir feiern, eine Gemeinschaft zu sein, die man als eine ganzheitliche Mischung von Dorf, Unternehmen und Kloster erfahren kann. Wie in einem Dorf haben wir 20 Kinder und Jugendliche (neben 35 Erwachsenen) hier, die auch zum Teil in unseren «Waldkindergarten» und «Läbesschuel Steckborn» gehen. Diese beiden haben im Jahr 2021 die kantonale Anerkennung bekommen und bilden 30 Kinder und Jugendliche bis zur 9. Klasse aus. Die Besonderheit der Schule liegt vor allem im stark projekt- und Montessori-orientierten Unterrichten, altersübergreifenden Zyklen mit einer maximalen Gruppengrösse von 12-15 Kindern. Wie in einem Dorf leben hier Paare, Familien und Singles, die teils extern / intern arbeiten.

Früher waren Klöster oftmals die Kultur- und Entwicklungszentren. In der heutigen Menschheitskrise schauen viele Menschen auf uns mit der Frage, ob das menschliche Experiment «Zusammenleben ohne Guru / Führung und in grosser Verschiedenheit» möglich ist. Wenn sie dies auf Schloss Glarisegg als erfahrbar und möglich erleben, steigt für sie die Hoffnung, dass es auch in der zukünftige Gesellschaft möglich sein könnte. Wie in einem Kloster ist auch hier – neben dem Singen – die Stille ein wichtiger Bestandteil unserer Alltagskultur.

Wir feiern, dass wir uns in den 20 Jahren durch all die sozialen und unternehmerischen Krisen zusammen hindurch gearbeitet haben. Wir lernten all die Werkzeuge in Bezug auf Aufbau und Weiterentwicklung von Kreiskultur in sinnvoller Verbindung mit einer strukturell-ökonomischen gesunden Basis.

Wir feiern den Reichtum an Erfahrungswissen zum Thema Kommunikation in Gruppen in Verbindung mit einer Unternehmens-Kultur des Miteinanders mit flachen Hierarchien.

Spezielle Events im Jubiläumsjahr:

  • 29. Juli: Zirkus, Kultur, Tanz im grossen Zirkuszelt, zu Beginn Kennenlernen des Projektes in Führung möglich
  • 21. Oktober «Tag der offenen Tür» mit Kinderprogramm, vielen Mini-Einblicke/Workshops, Tombola, feines Essen
  • Abschliessendes grosses Jubiläums-Fest am 4.- und 5. November

Mehr dazu:

Gemeinschaft: https://schloss-glarisegg.ch

Seminare: http://www.seminare-glarisegg.ch

Über

Christa Leila Dregger

Submitted by cld on Sa, 09/17/2022 - 12:37

Christa Dregger-Barthels (auch unter dem Namen Leila Dregger bekannt). Redaktionsmitglied des Zeitpunkt, Buchautorin, Journalistin und Aktivistin. Sie lebte fast 40 Jahren in Gemeinschaften, davon 18 Jahre in Tamera/Portugal - inzwischen wieder in Deutschland. Ihre Themengebiete sind Frieden, Gemeinschaft, Mann/Frau, Geist, Ökologie.

Weitere Projekte:

Terra Nova Plattform: www.terra-nova.earth

Terra Nova Begegnungsraum: www.terranova-begegnungsraum.de

Gerne empfehle ich Ihnen meine Podcast-Reihe TERRA NOVA:
terra-nova-podcast-1.podigee.io.  
Darin bin ich im Gespräch mit Denkern, Philosophinnen, kreativen Geistern, Kulturschaffenden. Meine wichtigsten Fragen sind: Sind Menschheit und Erde noch heilbar? Welche Gedanken und Erfahrungen helfen dabei? 

01522 7519136