Hildegard Knef, die selbstbewusste Vielkönnerin mit rauchiger Stimme

Sie war nicht zu bremsen. Ihre Persönlichkeit und ihre Talente öffneten ihr die Türen – bis in die USA. Die deutsche Schauspielerin und Sängerin Hildegard Knef war mit einer Selbstverständlichkeit eine emanzipierte Frau in Zeiten, in denen es kaum üblich war. Es wundert nicht, dass sie das Jugendidol der Feministin Alice Schwarzer gewesen war.

@ cc

Intelligent, witzig, kraftvoll, mutig, faszinierend, selbstbestimmt – Hildegard Knef war, was sie war und was sie sein wollte. Als sie zu singen begann, war es eine Neuheit. Denn die Schauspielerin, die ihr ganzes Leben rauchte, viel, immer, auch in den Talksendungen, hatte eine sehr tiefe Stimme. Mit Liedern wie «Für mich solls rote Rosen regnen» verzauberte sie das Publikum und brachte eine andere Singstimme, ein anderes Bild Frau auf die Bühne. Zwar war sie ebenso glamurös wie die anderen Divas, aber ihre Schlagfertigkeit und Autentizität sowie ihr selbstbewusstes Auftreten – sie gab immer den Ton an – waren ungewöhnlich. So wundert es nicht, dass ihre ältere Kollegin und Sängerin Marlene Dietrich folgende Worte für sie fand: «Ich bewunderte vieles an ihr. Nicht nur die Schönheit, denn schön waren wir alle.»

«Ich glaub, ne Dame werd ich nie.»

Nun, ihr Auftreten vereinnahmte das Publikum, aber auch die Lieder, die sie zum Teil selber schrieb, zum Teil interpretierte, überzeugten die Zuhörer. So wurde «Ich glaub, ne Dame werd ich nie» eines ihrer besonders bekannten Lieder, das Original kommt eigentlich aus dem Englischen. Knef trug das Lied mit Augenzwinkern und Charme vor: «Ich schlaf auf Partys fast immer gleich ein, kenn' alle Biere und nie einen Wein, hab gegen Playboys 'ne Antipathie: Ich glaub, 'ne Dame werd' ich nie.»

Hildegard Frieda Albertina Knef wurde 1925 in Ulm, Deutschland, geboren. Ihr Vater war ein Veteran des Ersten Weltkriegs, der sechs Monate nach ihrer Geburt starb. Ihre Mutter zog darauf nach Berlin, um in einer Fabrik zu arbeiten. «Als Kind war ich ausserordentlich schüchtern und überhaupt nicht gesprächig», erinnerte sich Hildegard Knef in ihren Memoiren, die ihre Kindheit in Interviews auch als «hart» bezeichnete.

Weil sie gut zeichnen konnte, begann sie mit 17 Jahren eine Ausbildung als Trickfilmzeichnerin beim Unternehmen Universum Film AG (UFA) in Berlin. Sie entdeckte die Schauspielerei. Der UFA-Filmchef wurde auf sie aufmerksam, ermöglichte ihr 1943 eine Schauspielausbildung an der Filmhochschule in Babelsberg. Ab 1944 spielte sie erste Rollen in UFA-Filmen. Im selben Jahr begann Knef eine Affäre mit dem Reichsfilmdramaturgen Ewald von Demandowsky, ihre erste grosse Liebe, ein Nazi, was ihr später angelastet wurde.

Mit ihm flüchtete sie bei Kriegsende aus der umkämpften und bebombten Hauptstadt Berlin. Um eine Vergewaltigung zu vermeiden, verkleidete sie sich als Mann. Auf der Flucht geriet sie jedoch in russische Gefangenschaft und kam in ein grosses russisches Gefangenenlager. «Man hatte uns in der Nähe der Elbe aufgegabelt. Ich hatte versucht, zu meiner Mutter durchzukommen, hatte mich den sogenannten Resten der deutschen Wehrmacht angeschlossen als verkleideter Soldat, als Junge.» Im Gefangenenlager blieb sie lange Zeit unerkannt, und dann: «Ja, die hatten im Lager herausgefunden, dass ich das einzige Mädchen unter 40´000 Soldaten war – ein bisschen albern, nicht wahr, das plötzlich nach so vielen Wochen herauszufinden. Da kamen die sich auch ein bisschen dumm vor.» Schliesslich konnte Knef mit Hilfe eines polinischen Arztes flüchten.

Sie kehrte nach Berlin zurück. 1946 spielte Knef die Hauptrolle in Deutschlands erstem Nachkriegsfilm «Mörder sind unter uns», in dem sie eine ehemalige KZ-Insassin spielte, die nach Hause zurückkehrt. Gedreht wurde zwischen den Trümmern Berlins. Aufgrund des internationalen Erfolgs dieses Films, erhielt sie ein Angebot in den USA. Anfang 1948 unterschrieb sie einen Siebenjahresvertrag, der ihr zwar wöchentlich einen recht lukrativen Scheck einbrachte, aber keine Rollen. Zwischen Sprachunterricht und Probeaufnahmen lernte sie in den USA Marlene Dietrich kennen. Sie befreundeten sich, Marlene Dietrich kümmerte sich um Knef, bekochte sie regelmässig.

«Mit all dem hatte ich weiss Gott nicht gerechnet.»

Der Erfolg kam schliesslich doch. Sie drehte eine Reihe von Filmen in Hollywood, trat auch in deutschen, britischen und französischen Filmproduktionen auf. 1955 debütierte sie am Broadway in einem Musical von Cole Porter – sie ist somit die einzige Deutsche, der es bisher gelungen ist, in einer Hauptrolle am Broadway zu debütieren.

1957 verliess Knef die USA, kehrte nach Deutschland zurück. In den 1960er Jahren begann sie während einer Pause in ihrer schauspielerischen Tätigkeit mit dem Schreiben von Büchern und Songtexten. Sie startete ihre zweite Karriere als Sängerin, wurde bejubelt, zahlreiche Lieder, etwa «Für mich soll´s rote Rosen regenen» (1968), stammten aus ihrer Feder. Innerhalb weniger Jahre verkaufte sie mehrere Millionen ihrer Tonträger. Dann das Jahr 1970: Das Buch «Der geschenkte Gaul», eine Autobiografie, wurde ein Bestseller, ein Welterfolg, und in 17 Sprachen übersetzt. Knef dazu: «Mit all dem hatte ich weiss Gott nicht gerechnet.» In den folgenden Jahren veröffentlichte sie weitere Bücher und erhielt Auszeichnungen.

In den 1970er Jahren wurde bei Knef Krebs diagnostiziert, sie unterzog sich mehreren Opferationen. Und ab 1977 verkauften sich ihre Platten nur mehr schleppend. Ihre letzten rund zwanzig Lebensjahre waren ein Auf und Ab. Als Schauspielerin konnte sie nie mehr ganz Fuss fassen, als Sängerin jedoch erlebte sie in verschiedenen Projekten erneut Erfolge. Zeitweise lebte sie in den USA, zweitweise in Deutschland. Manchmal wurde sie in den Medien verrissen, manchmal bejubelt. Hildegard Knef starb 2002 an einer akuten Lungenentzündung im Alter von 76 Jahren in Berlin. Sie war dreimal verheiratet und zweimal geschieden.

Zeichnerin, Schauspielerin, Schriftstellerin, Mutter – sie nannte ihre Tochter ihr grösstes Glück in ihrem Leben, mehrfache Ehefrau, Kultfigur, bis heute. Knef hatte ihr Leben gelebt. In der Schriftstellerei und Schauspielerei habe sie oft Einsamkeit erfahren, sagte sie in einem Spiegel-Interview. Am meisten hatte Knef den Beruf der Sängerin geliebt, den sie als einen alterslosen Beruf bezeichnete: «Singen ist das natürlichste Ausdrucksmittel des Menschen. Anders als Schreiben. Haben Sie sich mal einen alten Schriftsteller genauer angesehen? Die sehen doch alle so aus, als wären die irgendwann von der Fahrstuhltür eingeklemmt worden.» Hildegard Knef schaffte es bis an ihr Lebensende, mit Worten die Welt zu verzücken.

 

----------------------


Aussergewöhnliche Frauenbiografien – bisher erschienen:
Loïe Fuller, die Schlangentänzerin
Malala: «Ich bin 66 Millionen Mädchen»

Simone Biles – die unsichtbare Medaille
Gertrud Woker, die vergessene Berner Heldin
Josephine Baker – eine Frau, ein Plan
Vandana Shiva: «Regenwürmer sind weit höher entwickelt als Düngemittelfabriken»

Annemarie Schwarzenbach, die Rebellin
Rosalind Franklin – die dunkle Dame der DNA