Unsere jetzige Lebensrealität ist die Folge unserer vergangenen Vorstellungen sowie unserer Illusionen über das Sein in der Zukunft. Kurzum: Das Denken von heute schafft den Frieden von morgen. Kolumne.

© pixabay

Was wir zum Leben brauchen? «Das weiss ich doch», sagt ein jeder – und los gehts mit der langen Liste. «Die Supermärkte sind doch voll, unsere Schränke und Kühlschränke auch.» Bist du glücklich? «Natürlich, ich habe ja alles: Smartphone, Laptop, E-Auto, E-Bike und vieles mehr.» Aber meine Frage ist: Sind wir zufrieden und glücklich mit all dem Überfluss? «Na ja...», sagt ein jeder. Na ja, sagen auch die Psychologen, Therapeuten und Coacher, die besorgt auf die abgewetzten Therapiestühle, Patientenliegen und Yogamatten blicken.

Was wir zum Leben brauchen, ist innerer Frieden, Wohlsein und Liebe, das heisst: an Leib, Seele und Geist gesund zu sein. Gleichzeitig brauchen wir Frieden, Wohlsein und Liebe auch im Aussen, das heisst in der Gesellschaft, in der Sozialität, in der wir leben. Beides –  unser innere und äussere Friede – kann sich nur entwickeln auf der Grundlage des Seins unserer Erde, unserer Welt als Ganzes. Das ist unser Leben.

Wir leben jedoch nicht mehr in der Realität des Seins, sondern in der Realität unserer Vorstellungen und Illusionen über das Sein. Die heutige Welt ist die stringente Folge unseres Denkens, Fühlens und Handelns von gestern. Erst wenn sich die Mehrheit der Menschen in dieser Welt nicht mehr wohl fühlt und sich gleichzeitig der Gründe dieses Umstandes bewusst ist, wird jeder Einzelne bereit sein für einen Wandel. Mit Gandhis Worten: «Sei Du der Wandel, den du in der Welt sehen willst.»

Unserer Welt – dem Naturreich der Pflanzen und Tiere – müssen wir keine Rechte zusprechen. Die Welt ist selbst Gesetz. Die Naturreiche in ihrer Vielfalt, Schönheit und Weisheit sind Ausdruck dieses universellen Gesetzes. Das Einzige, was der Mensch tun muss, ist, diese Welt zu verstehen, sie zu achten und zu schützen, kurzum: sie zu lieben. Erde und Mensch leben im gemeinsamen Wandel. Sie sind eine untrennbare Einheit von Materie, Seele und Geist. Um uns selbst zu verstehen, müssen wir uns in der Natur wiedererkennen. Nur so wird uns bewusst, was wir wirklich zum Leben brauchen, und können daraus Impulse in uns wecken, die zu Gedanken und Handlungen führen, die auf allen Lebensgebieten inneren und äusseren Frieden erzeugen.

Vier Grundlebensbedürfnisse bilden die Voraussetzung für Frieden und Wohlsein auf unserer Erde. Erstens eine gesunde Ernährung. Zweitens das Recht auf Erziehung und Bildung, die die individuelle Entwicklung des Menschen ermöglicht und fördert. Drittens das Recht auf Wohnen und auf Schutz der Privatsphäre. Viertens das Recht auf Arbeit, mit der Möglichkeit, dass diese Arbeit oder Tätigkeit zum Wohle von Mensch und Erde ist.

Jeder Mensch, der in diese Welt geboren wird, hat das Recht auf diese Grundlebensbedürfnisse, sonst bleibt Frieden weiterhin nur eine Worthülse ohne Folgen. «Das ist doch klar», sagen jene, die alles im Überfluss haben. Überfluss an der einen Stelle schafft jedoch Mangel an anderer Stelle. Im Überfluss leben, beruht auf seelisch-geistigem Mangel. Dieser Mangel entsteht durch das Getrenntsein von Mensch und Erde.

Wie wir alle, oder fast alle wissen, sind individuelle Krisen eine Folge unseres eigenen Denkens, Fühlens und Handelns. Die Wurzeln unserer gesellschaftlichen Krisen sind an der gleichen Stelle zu suchen und zu beheben. In diesem Sinne sollten wir unsere ökologischen, ökonomischen und soziale Krisen als das erkennen, was sie uns spiegeln – und sie für den Wandel nutzen. Das Wort Krise wurzelt im griechischen Wort κρίσις, und bedeutet Entscheidung, Wendung oder Wandel.
 

_____

Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät, pflanzt und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.

«Es ist tödlich, an die Stelle des alten Gottes eine löbliche und erfreulich immer vorwärtswachsende Welt zu setzen. » (Gustav Landauer)