Jeder Mensch hat mit seiner Geburt ein Anrecht auf Kulturland. Anrecht bedeutet jedoch nicht Besitz. Wem also soll der Boden gehören, von dem wir leben? Aus der Serie: «Der Mensch und seine Haustiere, die Geschichte einer Jahrtausend alten Beziehung». Teil 4.

Bild von Robert Zünd / © Foto: Andreas Beers

Denken und Dung wirken auf das Leben nur dann fruchtbar, wenn sie in ihrer Anwendung lebendig und organisch bleiben. Durch Umschaufeln veredeln wir den Dung zu Kompost, durch Umdenken verändern wir unsere Gewohnheiten: Boden muss ein unveräusserliches «Gemeingut» sein.

Boden darf niemals zur Ware oder zu Anlagekapital werden. Jeder der nachweislich dazu befähigt ist, sollte kostenlos das Anrecht haben, Boden zu pflegen und zu verwalten. Und dies immer unter der Prämisse: zum Wohle von Mensch, Tier und Natur. Eine gemeinschaftlich legitimierte Bodenreform in diesem Sinne wäre die Voraussetzung dafür.

Bodenbesitz und deren rechtliche Absicherung weltweit, ist das Grundübel schlechthin. Die Folgen davon sind: Kulturland- und Umweltzerstörung, Armut, Hunger und dadurch provozierte Migration. Um Land und Meere wird heute immer noch Krieg geführt – die modernen Waffen sind Hedgefonds, die Munition dazu sind von der Realwirtschaft abgekoppelten Kapitalflüsse. Kolonialisierung nannte man es früher, Land Grabbing nennt man es heute. Landinbesitznahme, in welcher Form auch immer, ist damals wie heute eins der gängigen strategischen Mittel zur Erhaltung von Kapital- und Machtstrukturen.  

Die internationale Entwicklungsorganisation Oxfarm gibt an, «dass in Entwicklungsländern seit 2001 über 220 Millionen Hektar Land von wenigen Investoren aufgekauft wurden. Die Herrschaft über Grundbücher wird bis heute weltweit nicht nur gerichtlich, sondern vielerorts mit roher privater wie staatlicher Gewalt geregelt».

In der EU kontrollieren 3 Prozent der Grundbesitzer mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen.

FIAN International, das Food First Informations- und Aktions-Netzwerk weist aktuell darauf hin, «dass wir in ganz Europa das gleiche Phänomen haben. Begünstigt wird diese Entwicklung durch die flächenabhängigen Förderrichtlinien der EU. Dort kontrollieren 3 Prozent der Grundbesitzer mehr als die Hälfte aller landwirtschaftlichen Flächen. Bei dieser Form von Land Grabbing könnte man von einer Landreform von oben sprechen oder der Etablierung neuer, privatwirtschaftlicher Kolonialverhältnisse».

Wollen wir also die Probleme an der Wurzel packen, müssen wir auch beim grundlegenden Thema Bodenbesitz umdenken. Ohne dies, ist weder Kultur-Landwirtschaft wie ich sie beschrieben habe noch ethisch vertretbare Tierhaltung realisierbar. Zur Erinnerung: «Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind».

 

Bereits erschienen:
Der Mensch und seine Haustiere, die Geschichte einer Jahrtausend alten Beziehung
Teil 1: Unsere Haustiere, ein beseeltes Kulturerbe – neue Wege für eine gemeinsame Zukunft
Teil 2: Die Lebensräume unserer Haustiere im Organismus der Kultur-Landwirtschaft
Teil 3: Fast ein Paradies

 

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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.

«Jetzt ist in den Völkern, die grün sein sollten, keinerlei Leben mehr. Es gibt nur vertrocknete Ödnis. Die Winde sind mit dem absolut grässlichen Gestank, bösen, selbstsüchtigen Treibens beladen. Unwetter drohen. Die Luft stößt die schmutzige Unreinheit der Völker aus. Die Erde sollte nicht verletzt werden! Die Erde darf nicht zerstört werden!!» (Hildegard von Bingen, 1098-1179, Benediktinerin, Äbtissin, Dichterin und Universalgelehrte)