Remo und Lisa Ubezio aus Bern besuchten während des Lockdowns Menschen in ihrem Daheim. Daraus sind berührende fotografische Eindrücke entstanden. Bilder aus dem Leben von Familien, Paare und Einzelpersonen in einer ausserordentlichen Situation.

© Remo Ubezio

Und von einem Tag auf den anderen hiess es: zu Hause bleiben! Auch für den Fotografen Remo Ubezio und für die Gestalterin und Stylistin Lisa Ubezio. «Wir konnten nur noch schlecht schlafen», erinnert sich der 45-Jährige, «und wir fragten uns: Was können wir mit dieser Situation machen?» Denn auch ihnen waren alle Aufträge abgesagt worden. Existenzängste plagten die Beiden.

«Mitten in der Nacht im März kam schliesslich diese Idee, dass ich als Fotograf die Menschen im Lockdown besuchen und Bilder von den verschiedenen Wohngemeinschaften machen könnnte.» Dadurch hatten er und seine Geschäfts- und Lebenspartnerin Lisa wieder ein Ziel und eine Motivation, um während des Lockdowns aktiv zu werden statt in eine Lethargie zu fallen. «Es war also eine Mischung zwischen Notfall- und Kunstprojekt, zumal wir damit unsere Fixkosten wie Miete decken konnten.» Lisa fügt an: «Nach dem ersten Schock war uns ausserdem schnell klar, dass die Ereignisse der Corona-Pandemie welthistorische Ausmasse haben werden und wir diese Zeit für die Nachwelt dokumentieren möchten.»

So entstand das Fotoprojekt #togetherathome. Von Anfang April bis Mitte Mai des letzten Jahres porträtierten Remo und Lisa 73 Familien, Wohngemeinschaften, Paare oder Einzelpersonen in oder um ihren begrenzten Wohnraum. Die Bilder und die zusätzlich verfassten und veröffentlichten Kurzinterviews geben einen ganz persönlichen Einblick in die private Erlebniswelt unterschiedlichster Menschen in der Schweiz während dieser aussergewöhnlichen Zeit.

Die Begegnungen mit den Menschen zu Hause waren alle verschieden, aber immer bereichernd. Remo: «Unter den Fotografierten gab es Leute, die völlig entspannt waren und die Zeit im Lockdown genossen, weil sie eine feste Anstellung hatten. Bei anderen war es dagegen dramatisch, weil sie nicht wussten, wie sie finanziell überleben werden.» Aber insgesamt sei die Stimmung positiver gewesen, sagt Lisa, als sie erwartet hätten.

Durch einen Aufruf gelangten Lisa und Remo an die Menschen, die ihnen die Türen öffneten. «Der Deal war: Sie zahlen 200 Franken und wir fotografieren sie, so wie sie es sich vorstellen, an dem Ort oder in jenen Räumlichkeiten, die sie wünschen», erklärt Remo. Es sei lediglich ein Richtpreis gewesen. Wer nicht zahlen konnte, zahlte nichts, dafür steuerten andere freiweillig mehr bei. «Ich war eher der stille Beobachter, nahm so gut wie keinen Einfluss, dadurch entstanden sehr interessante und eigenwillige Inszenierung der Wohngemeinschaften.» Und da während des Lockdowns das Wetter sehr schön war, «ist es zu vielen Aussenaufnahmen gekommen».
 


 

Das Projekt von Remo und Lisa fiel auf. Zum Einen weil es schöne Bilder sind, die Schweizer und Schweizerinnen in ihren Gärten, Wohnstuben, Küchen zeigen, in Momenten, in denen sie plaudern, lernen, basteln, arbeiten oder einfach verweilen. Zum Anderen weil es Zeitdokumente sind. «Remo und ich waren über das Echo überrascht», so die 47-jährige Lisa. Nebst dem, dass in verschiedenen Medien über sie berichtet wurde, fragte auch «Lockdown Europe» bei den Bernern an. Das europäische Fotoprojekt zur Coronakrise zeigte von 52 Fotografen und Fotografinnen aus 47 Ländern Bilder aus allen europäischen Hauptstädten.

Alle Bilder, die durch das Projekt #togetherathome entstanden sind, haben die Ubezios online gestellt. Und nun? Lisa: «Wir beabsichtigen, die gesammelten Arbeiten zu einem geeigneten Zeitpunkt als Buch zu veröffentlichen und in einer Ausstellung zu zeigen.» Eine multimediale Ausstellung, auch mit Videos in Slowmotion über die Protagonisten, die Remo letztes Jahr aufzeichnete. Weiter seien sie gerade mitten im Nachprojekt von #togetherathome. Remo und Lisa wollen nämlich wissen, wie es heute – ein Jahr danach – den Menschen auf den Bildern geht. Dazu sammeln sie erneut Texte oder Sprachnachrichten von den Fotografierten. «Vielleicht organisieren wir sogar bald mal eine Zusammenkunft – denn zumindest über die Bilder kennen sich ja alle Projektteilnehmer bereits», so Lisa.