Was, wenn … ?
Kolumne. Am letzten Sonntag wurden sowohl die Kriegsgeschäfte- als auch die Konzern-Initiative abgelehnt. Damit haben wir uns dagegen entschieden, für die gravierenden Umweltschäden und Menschenrechtsverletzungen Verantwortung zu übernehmen, die unsere Schweizer Firmen und Banken im Ausland verursachen.
Was würden Sie tun, wenn man Sie dazu auffordert, Quecksilber ins Wasserglas eines Kindes zu träufeln? Oder wenn man Ihnen eine Waffe in die Hand drückt und Sie dazu anhält, einen unschuldigen Zivilisten oder einen Umweltaktivisten zu erschiessen? Ich gehe davon aus, dass sich die meisten – ohne zu zögern – weigern würden. Doch was würden Sie tun, wenn man Ihnen androht, dass Ihre Weigerung dazu führen könnte, dass Ihr liebenswerter Nachbar hier in der Schweiz seinen Arbeitsplatz verliert, in ein RAV-Programm kommt und einige Monate lang nur noch 80 Prozent seines Gehaltes erhält? Oder dass die Firma eines Freundes Konkurs geht? Hätten die Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten in der Ferne angesichts dessen dann plötzlich nur noch zweite Priorität? Andersrum gefragt: Würden Sie, um Ihren Nachbarn und Ihren Freund zu schützen, den Zivilisten und das Kind dann trotzdem umbringen?
Wahrscheinlich auch nicht. Doch zum guten Glück müssen Sie das ja nicht eigenhändig tun. Sie, ja Sie, die am letzten Sonntag ein NEIN in die Urne geworfen haben oder einfach nur zu faul waren, abstimmen zu gehen. Zum guten Glück sind Sie ja ganz weit weg von den Orten, wo es zu so bedauerlichen Zwischenfällen kommt.
Doch Sie täuschen sich. Der erschossene Zivilist und das vergiftete Kind sind nicht weit weg. Sie sind Ihnen viel näher, als Ihnen lieb sein dürfte. Zum Beispiel in Ihrem Handtäschchen, liebe Frau Schweizerin, wo Sie Ihr neues Handy versorgen. Dieses enthält nämlich zahlreiche Rohstoffe. Unter anderem Metalle wie Kobalt oder Gold, bei deren Abbau hundert Kilogramm giftiger Abfall entsteht – pro Handy. Abfall, der hier in Peru und in anderen Ländern des globalen Südens Trinkwasser und Böden vergiftet, auch wenn dies die verantwortlichen Schweizer Konzerne wie Glencore natürlich abstreiten.
Ich möchte, dass Sie hierherkommen und den Müttern, deren Babys aufgrund der Bergbauaktivitäten von Schweizer Firmen an Leberzirrhose oder Niereninsuffizienz gestorben sind, ins Gesicht sagen, dass ihr Leben leider weniger Wert ist als der Wohlstand von Herrn und Frau Schweizer. Dieser Wohlstand, den auch unsere Justizministerin Karin Keller-Sutter durch die Konzern-Initiative gefährdet sah. Dass solche Aussagen sogar für eine Bundesrätin salonfähig sind, zeigt, wie weit wir von der Realität abgedriftet sind.
Die Schweiz hat im ersten Halbjahr 2020 Kriegsmaterial im Wert von über 500 Millionen Franken exportiert. Wenn sich ein solches Land seit anno 1515 damit brüstet, neutral zu sein und nicht an Kriegen teilzunehmen, kann man nur noch von einer Farce sprechen, und zwar von einer tragischen. Denn ganz abgesehen davon, dass unsere Rüstungsindustrie floriert, finanzieren viele Schweizer Banken auch die Herstellung von Kriegsgeräten im Ausland. Und zwar nicht nur die altbekannten grossen Privatbanken, sondern auch die Schweizer Nationalbank. Sie investierte zum Beispiel 206 bzw. 136 Millionen Dollar in die US-amerikanischen Rüstungskonzerne Raytheon und General Dynamics. Deren Munition und Panzerfahrzeuge wurden im Jemenkrieg gegen zivile Opfer eingesetzt.
Also, was machen Sie mit dem Quecksilber?
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