Cafés, Restaurants und Hotels – es war schwierig im letzten Jahr für alle Gastrobetreiber. Auch für Christian Wehrli, Besitzer der «Casa Santo Stefano» im Tessinerdörfchen Miglieglia. Das Albergo funktioniert nicht nur als Bed&Breakfast, sondern es werden da auch Seminare und Workshops wie Yoga angeboten. Wehrli sieht trotz der vergangenen turbulenten Monate positiv zurück wie auch nach vorn. Es sei Neues entstanden, so der 55-Jährige, und die Gäste hätten die «Casa Santo Stefano», die er seit über 25 Jahren betreibt, unterstützt und die Schutzkonzepte weitgehend akzeptiert.

Angeli und Christian Wehrli, die Besitzer von Casa Santo Stefano. /© zvg

Zeitpunkt: Wie haben Sie und die Casa Santo Stefano die stürmischen Monate erlebt und überlebt?

Christian Wehrli: Die Zwangsschliessung aller Hotels im Tessin vom vergangenen Jahr, von Anfang März bis Mitte Mai, hat uns sehr hart getroffen. Wir mussten ein laufendes Seminar abrupt beenden und sofort alle weiteren Seminare und Buchungen von Individualgästen auf unbestimmte Zeit absagen sowie einige Vorauszahlungen zurücküberweisen. Andere Gäste jedoch forderten ihre bereits getätigten Zahlungen nicht zurück. Nur dank dieser und weiterer finanziellen Unterstützung von Seiten unserer Gäste und dank dem Covid-Kredit kamen wir vorerst über die Runden. Denn kurz vor dem Lockdown hatten wir zudem noch viele Investitionen gemacht. Diese temporäre Existenzangst zerrte ziemlich an den Nerven.

Ausserdem, die anfangs ständig sich ändernden und zum Teil absurden Bestimmungen von Seiten des Bundesrats stellten eine grosse Herausforderung dar. Ich empfand oft auch grossen Ärger und Unverständnis über das, was alles aus Bern verkündet wurde! So war da also einerseits meine persönliche eher kritische Einstellung zur ganzen Situation und den verordneten Massnahmen. Andererseits war da die Verantwortung und der Respekt gegenüber unseren Gästen und unserem Betrieb. Wir vermittelten unseren Gästen stets, dass wir die ganzen Bestimmungen mit einem gesunden Menschenverstand umsetzen werden. Gleichzeitig appellierten wir an die Selbstverantwortung und Rücksichtnahme. Wir merkten bald, dass unsere Gäste für diese nicht so strenge Haltung dankbar waren, und so ist es uns bis heute gelungen, eine angstfreie Atmosphäre in unserem Hotel zu gestalten, was stets unser Ziel war.

In der Casa Santo Stefano werden unter anderem Yoga und Massagen angeboten. Körperliche Aktivitäten in einem Raum. Konnten sie durchgeführt werden?

In der Tat ist das seit einem Jahr ein ständiges und intensives Thema, wie und ob wir Yoga üben dürfen. Zu Beginn haben wir die Gruppengrössen limitiert und zusätzlich die Yogaklassen aufgeteilt, so dass genügend Platz für alle Teilnehmenden vorhanden war. Einige unserer Yogalehrerinnen und Yogalehrer  fingen dann vermehrt an, draussen, in der Natur, Meditationen und Yogalektionen anzubieten. Das geht ja bei uns wunderbar, mit vielen stimmigen Plätzen rings um Miglieglia. Ebenso wurden Yogalektionen während einer gemeinsamen Wanderung an einem kraftvollen Platz im Wald oder auf einer Wiese ausgeübt. Dann: Just im Herbst, als die Tage kälter und die Bestimmungen wieder verschärft wurden, gingen wir ohnehin in die verdiente Winterpause.

Im Nachhinein kann ich sagen, dass das vergangene Jahr eine riesengrosse Chance für uns war. Wir taten einfach, was zu tun war, und suchten stets nach stimmigen und kreativen und schlussendlich auch innovativen Lösungen. Und unsere Gäste machten mit. Ich glaube, und dies besonders seit diesem Frühling, dass die Gäste einfach froh und enorm dankbar sind rauszukommen, raus in die Natur, in eine Gegend und in ein Hotel, wo noch ein Stück Normalität gelebt werden kann.

Die Lockerungen sind da. Jetzt heisst es für Sie Aufschnaufen, oder?

Aufschnaufen, na ja… Selbst in der Winterpause konnten wir nie richtig abschalten. Wir sind einerseits ständig am Vorausplanen und anderseits soll der Alltag professionell ablaufen. Nein, wir kommen überhaupt nicht zur Ruhe. Wir versuchen zwar, uns nicht aus der Ruhe bringen zu lassen, aber abwarten auf  die nächsten Lockerungen oder Bestimmungen, und von ihnen abhängig zu sein, das ist sehr zermürbend. Wenn schon Ruhe nicht möglich ist, so stärken wir unsere innere Zufriedenheit mit zuversichtlichem und positivem Vorausschauen. Ich drücke es mal so aus: Wir sind auf das Unerwartete und Neue gefasst, um dann mit Kreativität und Inspiration wieder etwas Eigenes daraus zu machen.


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Die Casa Santo Stefano, die aus zwei historischen und stilvoll
renovierten Tessinerhäusern besteht, liegt im typischen Tessinerdorf
Miglieglia, im Herzen des Malcantone. Miglieglia ist eingebettet in
eine sanfte Hügellandschaft und wildromantische Natur, und doch
ist man in weniger als eine halbe Stunde in Lugano.