Ein Supermarktbesitzer in Osnabrück geht gegen Food Waste vor: In die goldene Tonne seiner Edeka-Filialen werden Lebensmittel gestellt, die nicht mehr verkauft werden können, aber immer noch gut sind. Sie können gratis mitgenommen werden. Hut ab!

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Als «Food Waste» oder die Verschwendung von Essen bezeichnet man es, wenn Nahrungsmittel – zum Beispiel von Supermärkten oder Fabriken, aber auch von Privatpersonen – weggeworfen werden, obwohl sie noch essbar sind. Vom «Containern» dagegen spricht man, wenn Menschen diese Lebensmittel aus den Tonnen retten. Dies ist in vielen Ländern nach wie vor strafbar. Auch wenn es eigentlich niemandem schadet, sondern ganz im Gegenteil für Mensch, Umwelt und Geldbeutel von Vorteil ist. Die meisten Waren sind bedenkenlos über das Mindesthaltbarkeitsdatum hinaus geniessbar, dürfen aber nicht mehr verkauft werden. Auch krummes Gemüse oder Obst mit kleinen Quetsch-Stellen ist betroffen.

In der Schweiz werden jedes Jahr fast drei Millionen Tonnen Lebensmittel verschwendet – mehr als 300 Kilo pro Person und Jahr. Dies hat auch grosse Auswirkungen auf die Umwelt: Denn in den Lebensmitteln, die nicht verzehrt werden, stecken Treibhaushase in Form vom Transport, Verarbeitung oder Kühlung. Zusätzlich hat das Ganze auch Konsequenzen fürs Portemonnaie. Schweizer Haushalte entsorgen jedes Jahr Lebensmittel im Wert von 600 Franken pro Person. Insgesamt gehen damit über fünf Milliarden Franken durch Food Waste verloren. Auch in Deutschland beläuft sich die Summe der verschwendeten Lebensmittel auf jährlich elf bis zwölf Millionen Tonnen.

Dennoch steht das Containern im Verruf. Auch wenn das Ganze ausser der ökologischen auch eine soziale Komponente hat: Unter den Personen, die das Containern betreiben, sind auch bedürftige Menschen. Eine amerikanische Studie aus dem Jahr 2005 zeigte, dass 18,9 Prozent der Befragten schon einmal Lebensmittel aus der Mülltonne zu sich genommen haben. Das häufigste Motiv im urbanen Raum war Hunger.  

In der Schweiz und in Österreich befindet sich der Tatbestand des Containerns in einer rechtlichen Grauzone. In Deutschland wird zurzeit darüber debattiert, das Containern legal zu machen. Dies nachdem unzählige Menschen wegen Diebstahl bestraft wurden, zum Beispiel eine Kölnerin im Jahr 2004, die zu 60 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilt wurde. Im Januar 2023 sprachen sich Bundesjustizminister Marco Buschmann und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dafür aus, dass das Containern künftig straffrei sein solle, ausser in Fällen, in denen die Überwindung von Hindernissen über einen unwesentlichen Aufwand hinausgeht oder wenn gleichzeitig der Tatbestand der Sachbeschädigung erfüllt wird. Der Handelsverband kritisiert den Vorstoß, das Containern zu entkriminalisieren.

In diesem Kontext hat ein Supermarktbesitzer in Osnabrück auf eigene Faust die Initiative ergriffen: In seinen Edeka-Filialen wurden «Goldene Tonnen» aufgestellt, in die der Supermarkt Lebensmittel stellt, die nicht mehr verkauft werden können – zum gratis Mitnehmen. Damit will Guido Gartmann auch andere Geschäfte dazu animieren, gegen Food Waste vorzugehen. «Wenn jede und jeder so eine Tonne vor die Tür stellen würde, gäbe es auch keinen Grund mehr zum Containern», sage er gegenüber dem deutschen Fernsehsender NDR.

Wir ziehen den Hut vor Guido Gartmann, der nicht darauf wartet, dass die Politik sich bewegt, sondern ohne grosses Federlesen selbst aktiv wurde und damit mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt: kostenloses Essen für Bedürftige, und die Vermeidung von Food Waste.

Über

Nicole Maron

Submitted by christoph on Mo, 04/19/2021 - 17:25

Nicole Maron (*1980) aus Zürich ist Journalistin und Buchautorin. Seit 2017 lebt und arbeitet sie in Bolivien und Peru. Ihre Schwerpunkte sind umwelt- und sozialpolitische Themen wie Flucht und Migration, globale Gerechtigkeit, Konzernverantwortung und Menschenrechte. 

Von Nicole Maron ist zuletzt erschienen: «Das Blut des Flusses» – Der in Espinar/Südperu gedrehte Dokumentarfilm zeigt auf, welche gravierenden Schäden das Schweizer Bergbauunternehmen Glencore vor Ort anrichtet.
https://www.youtube.com/watch?v=9Rj7lJc1GWY