Auf dem Holzweg sein – oder nachdenken über Bäume

Wenn wir auf dem Holzweg sind, dann sind wir genau richtig. Denn er führt an seinem Ende zu den Bäumen – und ohne Baum ist ganz schnell aus der Traum vom angenehmen Leben. Kolumne.

© Mia Leu

Wer Holz sagt, denkt an Bäume, oder nicht? Mit dem Wort Holzweg verhält es sich wie mit dem Wort Zufall: In beiden spricht sich aus, was tatsächlich wahr und weise ist.

Die Menschheit ist sprichwörtlich seit Jahrtausenden auf dem Holzweg. In den Bildersprachen ältester Sagen und Mythen der Welt spielen die Bäume eine zentrale Rolle für das Verständnis und die Geheimnisse der Weltentstehung: Ob es der Keltische Baumkalender, die Esche Yggdrasil aus der germanischen Edda oder der Sephiroth, der Baum des Lebens aus der von Isaak Luria konzipierten Kabbala ist, sie alle weisen auf das besondere Wesen der Bäume hin.

Die Bäume und ihr Holz schützen und fördern das Leben des Menschen schon seit Alters her. Das Holz als Brennmaterial wärmte Leib und Seele und machte unsere Speisen gar. Es diente auf kunstvolle Weise dem Menschen als Behausung. Es schmolz in den Werkstätten der Völker die Erze zu Metallen, den Ton zu Ziegelsteinen, die Mineralien zu Glas und Perlen. In Form von Booten und Schiffen trug es schon lange vor Kolumbus die Phönizier, Euböer und Wikinger über die weiten Meere. Sie transportierten Bernstein, Zinn, Kupfer, Eisen, Gewürze und Kulturimpulse. Als Nabe, Speichen und Felge zum Rad gefertigt, rollte es der Menschheit Lasten auf Karren, Wagen und Kutschen übers Land. Nicht zuletzt und dies bis heute, sind die Bäume die Lungen unserer Erde, sie sind Mitgestalter und Sinnbild unserer seit Jahrtausenden geschaffenen Kulturlandschaften – ohne Bäume kein Leben.

Unter der tausendjährigen Linde sassen die Alten, tanzte das Volk und schnitzten Liebende ihre Herzen in ihre Rinde. In den Karawansereien, Schankstätten und Biergärten vom Bosporus bis zum Rhein, sass das Volk auf Holzbänken zur Sommerszeit im kühlen Schatten der Kastanien. Junge Bäumchen wurden zur Geburt eines Kindes gepflanzt, oder mit bunten Bändern geschmückt, vom Zimmermann beim Richtfest auf den Dachfirst gesteckt. Um den Maibaum, der geschmückt war mit den Handwerkszeichen, verziert mit bunten Bändern, Wimpeln und Blumen, tanzte in des Dorfes Mitte Jung und Alt zur Frühlingszeit.

Unter Baumalleen führten Wege übers Land, sie schützen Reisende vor Hitze und Wind. Sie säumten die Wege zu Burgen, Schlössern und Herrschaftshäusern. An jedem Gehöft stand eine prächtige Linde, Buche, Eiche, oder Esche. Die Bäume und ihr Rohstoff Holz sind in jeder Hinsicht das Edelste aus der Pflanzenwelt für uns Menschen. In keinem dichterischen und philosophischen Werk von Rang und Namen, fehlt neben Menschen, Liebe, Zeit und Raum der Baum.

Die Bäume schaffen mit ihrem einzigartigen Wachstum eine Neue Erde. In ihr ruhen zur Winterzeit Blatt- und Blütentriebe, sie spriessen hervorgelockt durch Licht und Wärme, wie die Saat aus der Ackerkrume. Wie keine andere Pflanzenart schaffen die Bäume für uns Menschen den sich fortwährend selbsterhaltenden lebendigen Werk- und Baustoff Holz. Als nachwachsender Energieträger sind sie gleichzeitig der effizienteste Kohlenstoff- und Sauerstofftransformator auf unserer Erde.

Um Wald und Bäume steht es schlecht auf unsere Welt. Mit der derzeitigen Klima-, Umwelt- und Energiepolitik sind wir von diesem Holzweg weit abgekommen. Momentan hauen wir uns mit den wissenschaftlich, politisch und medial stumpfesten Macheten durch einen Dschungel von Unwissenheit.

 

Schönes, Wissenswertes und Erstaunliches zu Holz, Bäumen, Leben und Mensch:

  • Erwin Thoma: Strategien der Natur, Benevento Verlag
  • Jan Albert Rispens: Bäume verstehen lernen, SchneiderEditionen
  • Michael Vescoli: Der Keltische Baumkalender, Kailash Verlag
  • Olaf Daecke: Unsterblich duftenden die Linden, Verlag Urachhaus
  • Jean Giono Quint Buchholz: Der Mann der Bäume pflanzte

 

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Andreas Beers aus Bern ist Landwirt, Arbeitsagoge und Lehrer. Er kultiviert die Erde, sät und erntet, er denkt, spricht und schreibt über: Mensch, Erde und Himmel, oder was wir zum Leben brauchen.

«Sobald wir die Förderung des Lebens, die Verbundenheit aller Wesen mit ihrer Mitwelt in ihrem wahren Wert begreifen, werden sich viele Dinge wieder zum Guten Wandeln.» (Erwin Thoma)