Geld. Wie wäre die Welt ohne Geld? Mit Vertrauen statt Geld? Ist das eine Utopie oder irgendwann einmal in Zukunft möglich? Die Montagsserie.

Liebe Zeitpunkt-Leser, danke für die E-Mails in den letzten sechs Wochen. Für eure mitgeteilten Visionen, wie ihr euch die Schweiz in der Zukunft vorstellt. Heute veröffentlichen wir die letzten Zeilen dazu. Viel Spass beim Lesen!

 

Die Schweiz von Morgen

 

«Für mich müsste es eigentlich ‹Welt von Morgen› heissen. Meine Vision ist ganz einfach: eine Welt ohne Geld. Um diese Vision verständlich zu machen, muss ich ein bisschen ausholen: Ich habe mich viele Jahre mit dem Thema Geld beschäftigt. Eine schlüssige Antwort auf ‹Was ist Geld eigentlich?› habe ich nicht gefunden. Es ist (absichtlich?) sehr undurchsichtig. Daher kann man zu diesem Thema ganze Bücher füllen. Unter dem Strich sind bei mir dazu aber zwei wesentliche Dinge hängen geblieben:

  • Geld ist Unterdrückung bzw. Machtausübung (‹Geld ist Macht› stimmt absolut)
  • Geld ist fehlendes Vertrauen unter den Menschen

Es wird viel über die aktuellen Probleme der Menschheit geschrieben und geredet: Ja, der Kapitalismus funktioniert nicht, ja wir haben eine eklatante Ungleichheit, ja es werden unnötige Kriege angezettelt etc. Was mich dabei überrascht, ist, dass noch niemand mit dem Vorschlag der Geldabschaffung gekommen ist. Aus meiner Sicht reden alle nur um den heissen Brei oder machen Vorschläge zu ‹Pflästerli-Politik›, ohne jemals an den Kern der Sache heranzugehen. Nämlich die Frage zu stellen: Brauchen wir Geld überhaupt? Wenn ja, wozu genau?

Scheinbar sind wir alle dermassen indoktriniert, dass es für uns unvorstellbar ist, ohne Geld leben zu können (Pferde, Kühe, auch alles andere Leben auf diesem Planeten können es offenbar). Zugegeben, meine erste Reaktion, als der Gedanke von einem Leben ohne Geld durch mich blitzte, war auch: ‹Jetzt spinnst du total› und ‹völlig utopisch›. Je länger ich mich jedoch auf diesen Gedanken einliess, desto realitätsnäher wurde er. Mittlerweile bin ich überzeugt, wenn wir von heute auf morgen Geld abschaffen, würden wir damit zirka 90 Prozent aller Probleme auf dieser Welt mit einem Schlag einfach vom Tisch wischen. Und ich bin auch davon überzeugt, dass sich die Menschen sehr schnell daran gewöhnen und danach auch nicht mehr zurück wollen würden.

Tauschmittel wie Geld ist obsolet. Es ist fehlendes Vertrauen.

Wozu brauchen wir Geld? Oder anders gefragt: Was brauchen wir wirklich? Mir kommen dazu spontan folgende Punkte in den Sinn: ein Dach über dem Kopf, sanitäre Anlagen, Essen und Trinken, Liebe, Familie, Freunde, soziale Strukturen.

Geld kommt mir da nicht in den Sinn. Wozu auch? Was soll ich damit? Tauschmittel? Das klassische Beispiel von ‹Ich habe Äpfel, der andere Birnen, er will meine Äpfel, ich aber nicht seine Birnen, was machen wir da?› Richtig: Wir erfinden ein allgemeingültiges Tauschmittel namens Geld. Aber wieso kann ich ihm nicht einfach die Äpfel geben, die er braucht? Wenn ich sicher bin, dass ich das, was ich brauche, auch bekomme, wozu muss ich mit etwas tauschen? Wenn jeder nehmen würde, was er braucht (und nur das) und geben würde, was er hat bzw. herstellt oder macht, dann ist ein Tauschmittel wie Geld obsolet. Das ist es, was ich meine mit: Geld ist fehlendes Vertrauen.

Es ist eine Werte-Frage: Was stellen wir in den Mittelpunkt bzw. was betrachten wir als höchstes Gut? Da wir in einem kapitalistischen System leben, steht entsprechend das Kapital im Mittelpunkt (Geld ist ein reines Gedankenkonstrukt, nichts Reales). Wenn wir uns den Planeten Erde vor unserem geistigen Auge vom Weltraum aus vorstellen: Was sehen wir? Ich sehe vorallem eines: LEBEN. Warum stellen wir also nicht das Leben in den Mittelpunkt? Aus meiner Sicht wäre das das einzig Logische und auch das, womit sich alle einverstanden erklären könnten, egal von welcher Herkunft oder Religion.

Was würde nun passieren, wenn wir dieses Gedankenkonstrukt GELD loslassen würden? Als erstes müssten wir aufhören ‹Geld› zu denken. Denn wenn wir es zum Beispiel mit gekerbten Holzstecken einfach ersetzen, sind wir wieder genau gleich weit.

2. Würden sämtliche Arbeitsstellen im Finanzsektor von einem Tag auf den anderen überflüssig. Das heisst: Versicherungen und Banken bräuchte es schlicht nicht mehr. Ebenso sämtliche Buchhaltungen. Steuerbehörden. Also eine ganze Menge (zumindest in der Schweiz).

Ich wäre beispielsweise sehr gerne bereit, auf dem Feld zu arbeiten oder Klos zu putzen.

3. Würden ganz viele Menschen mit ihrer Arbeit aufhören, die sie bisher getan haben. Da sie (ausser Geld verdienen) keinen Sinn mehr darin sehen würden. Viele von euch mögen jetzt denken: Da würde ja niemand mehr arbeiten! Das denke ich jedoch nicht. Ganz viele  würden ihre Arbeit nicht niederlegen.

Der Mensch braucht einen Sinn in seinem Leben, und Arbeit ist da ganz sicher ein Teil davon. Ausserdem bin ich der Überzeugung, dass die Menschen gerne arbeiten. Nur: Die Art und Weise und die Menge sind ausschlaggebend. Endlich könnten die Menschen das tun, was sie gerne machen. Für Aufgaben, die die Allgemeinheit betrifft, kann man sich ja absprechen. Ich wäre beispielsweise sehr gerne bereit, auf dem Feld zu arbeiten, Klos zu putzen, andere Menschen zu unterstützen. In einer wirklich solidarischen Gesellschaft wäre das ja dann auch eine Selbstverständlichkeit. Eine echt solidarische Gesellschaft kann es aus meiner Sicht jedoch nur ohne Geld geben.

4. Sämtliche Machtstrukturen würden sofort in sich zusammenfallen. Der einfachste Weg, um der von der Mehrheit entfernten ‹Elite› (keine Ahnung was an ‹denen› elitär sein soll) den Boden unter den Füssen wegzuziehen.

5. Die Menschen wären alle gleichgestellt (nicht GLEICH, aber GLEICHWERTIG).

6. Wir könnten endlich Produkte herstellen, die auf maximale Lebensdauer, einfache Wartung, Umweltverträglichkeit usw. ausgerichtet sind und nicht auf Profitmaximierung. Wir könnten endlich nur die Produkte herstellen, die wir auch wirklich brauchen.

7. Niemand müsste mehr hungern, obdachlos oder ohne Bildung sein.

8. Kein Foodwaste wäre mehr nötig.

9. Vorbei wären Krieg und Leid, da keine Profitmöglichkeiten mehr (Konflikte sind auch anders lösbar und dies im Interessen ALLER).

10. Die Kinder müssten nicht mehr zu ‹Robotern› – Russisch für ‹Arbeiter› – sprich zu funktionierenden Geldvermehrern verzogen werden.

Und so weiter und so fort. Lassen Sie Ihrer Vorstellungskraft und Fantasie freien Lauf! Je mehr Menschen sich eine Welt ohne Geld möglichst konkret vorzustellen versuchen, desto näher rückt diese Realität.»

Tobias Möckl, Burgdorf

 


Hat Sie dieser Text inspiriert? In den vergangenen Wochen haben wir Visionen von mehreren Zeitpunkt-Leser veröffentlicht. Beispielsweise im Teil 4 der Montagsserie «Schweiz von Morgen» blickte Tamara Funiciello in die Zukunft. Sie fand deutliche Worte: «Die Revolution wird feministisch oder sie wird nicht.» Lesen Sie aber am besten selbst:

Schweiz von Morgen – Teil 4

 

Kommentare

Danke für diesen Text! ich…

von liliavayuna
Danke für diesen Text! ich hatte dieselbe Idee und versuchte sie in einen Roman einzuweben, doch so aufgeschrieben liest es sich wunderschön.