«Sowie Angst und Sorge ist auch die Hoffnung eine soziale Kraft»

Rund 5500 Personen in der ganzen Schweiz haben letzten November an der Umfrage des Hoffnungsbarometers teilgenommen. Die Studie lenkt die Aufmerksamkeit auf die Bewältigungsstrategien, die persönlichen Einstellungen und die Hoffnungen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Fazit: In einer von Unsicherheit und Spannungen geladenen Zeit konnte ein Grossteil der Schweizer Bevölkerung einen konstruktiven Umgang mit der Krise finden.

@ pixabay

Die Hoffnung der Schweizer Bevölkerung befindet sich weiterhin auf einem mittelhohen Niveau, wie der neue Hoffnungsbarometer zeigt. Auch wenn die Hoffnungen vor den Ängsten der Menschen überwiegen, ist im Vergleich zum Vorjahr die allgemeine Hoffnung leicht zurückgegangen. Konstruktive Bewältigungsstrategien wie Akzeptanz und positive Neubewertung der Situation sind nach wie vor beherrschend, allerdings haben die gegenseitige Unterstützung sowie der soziale Zusammenhalt abgenommen. Signifikante Unterschiede sind zwischen Männern und Frauen sowie zwischen Geimpften und Ungeimpften ersichtlich.

Ergebnisse der Umfrage im Überblick:

  1. Verglichen mit 2020 sind die Menschen in der Schweiz zwar genauso zufrieden mit ihrem Leben, aber deutlich unzufriedener mit der Politik, den gesellschaftlichen Trends und der mangelnden Bewältigung der Covid-19-Pandemie. Die Entwicklung der Wirtschaft wird im 2021 deutlich positiver bewertet und die Stressbelastung befindet sich auf einem ähnlich mittelstarken Niveau wie im Vorjahr. Zwischen 15 und 20 Prozent der Bevölkerung haben stark unter der aktuellen Krise gelitten, vor allem Jugendliche und alleinstehende Personen.
     
  2. Frauen haben trotz höherer Stressbelastung eine vergleichbar höhere Lebenszufriedenheit wie Männer. Dies ist vor allem auf den Einsatz wirksamer Bewältigungsstrategien wie eine positivere Bewertung der persönlichen Situation, eine effektivere Selbstwirksamkeit sowie auf verschiedene Quellen sozialer Unterstützung zurückzuführen. Als Folge davon haben Frauen ihre persönlichen Stärken besser erkannt, mehr Wertschätzung für das Leben entwickelt, ihre zwischenmenschlichen Beziehungen gefestigt und neue Möglichkeiten im Leben genutzt.
     
  3. Viele Menschen in der Schweiz konnten erfolgreich mit den aktuellen Herausforderungen umgehen. Sie konnten die Schwierigkeiten und Hindernisse akzeptieren und positiv integrieren. Im Vergleich zu 2020 erkennt man allerdings eine deutliche Ernüchterung und Enttäuschung, die in manchen Fällen in Mutlosigkeit und Niedergeschlagenheit gemündet sind. Gelitten haben dabei vor allem der soziale Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung, obwohl diese von den meisten Menschen als wichtige Quelle von Hoffnung angesehen werden.
     
  4. Die allgemeine Hoffnung in die Zukunft ist nach wie vor zwischen mittelstark und stark ausgeprägt, allerdings etwas tiefer als 2020. Frauen und ältere Menschen sind leicht, aber signifikant hoffnungsvoller als Männer und jüngere Personen. Die meisten Menschen hoffen – wie in den vergangenen Jahren – vor allem auf gute Gesundheit, auf eine glückliche Familie, Ehe oder Partnerschaft, auf ein harmonisches Leben, auf Selbstbestimmung, auf gute zwischenmenschliche Beziehungen sowie auf eine sinnerfüllende Aufgabe im Leben. Sowohl ein sicherer Arbeitsplatz als auch der Wunsch, anderen Menschen zu helfen, haben gegenüber dem Vorjahr an Bedeutung verloren. Die wichtigsten Quellen von Hoffnung sind die Erlebnisse in der Natur, die Unterstützung von Familie und Freunden, die eigenen Fähigkeiten sowie die gegenseitige Hilfsbereitschaft.
     
  5. Aufgrund der aktuellen Krise konnten viele Menschen in der Schweiz ein leichtes bis mittelstarkes persönliches Wachstum erleben. Durch die erfolgreiche Bewältigung der persönlichen Herausforderungen konnten sie ihre Stärken besser kennenlernen und eine tiefere Wertschätzung für ihr Leben entwickeln. Einige, vor allem Frauen, konnten auch eine stärkere Verbindung zu anderen Menschen aufbauen und neue Möglichkeiten ergreifen.
     
  6. Die persönlichen Einstellungen gegenüber Covid-19-Impfungen bestimmen das Impfverhalten der Menschen massgeblich. Geimpfte Menschen glauben mehrheitlich an die Wirksamkeit und den Nutzen von Impfungen, fühlen sich dadurch geschützter, machen sich seltener Sorgen über zukünftige Nebenwirkungen und haben ein grösseres Vertrauen in den Staat. Ungeimpfte stehen diesen Themen viel kritischer gegenüber, sind mit den aktuellen Entwicklungen in der Gesellschaft daher deutlich weniger zufrieden, verfügen aber über eine hohe Lebenszufriedenheit und ein starkes Selbstvertrauen.

 

Fazit des Berichts: Um die aktuelle Krise und die sozialen Spannungen meistern zu können, müssen der gesellschaftliche Zusammenhalt und das Vertrauen in die Institutionen gestärkt werden. Konstruktive Bewältigungsstrategien wie eine offene Kommunikation, gegenseitige Akzeptanz und die Betonung gemeinsamer Ziele können dafür eine gute Grundlage bieten.

«Als vor 100 Jahren die spanische Grippe überwunden war, führte dies zu einem Modernisierungsschub in Architektur, Kunst und Musik. Es fanden ein Umdenken sowie gesellschaftliche Veränderungen statt. Eine solch positive Transformation wünschen wir uns ebenfalls nach der baldigen Überwindung der jetzigen Pandemie», sagt Studienleiter Andreas Krafft. Der Betriebswirt und Hoffnungsforscher ist Dozent an der Universität St.Gallen, wo er das Internationale Forschungsnetzwerk des Hoffnungsbarometers leitet. Als Co-Präsident von swissfuture, der Schweizerischen Gesellschaft für Zukunftsforschung, sowie Vorstandsmitglied der Swiss Positive Psychology Association setzt er sich für die Stärken und die Begeisterungsfähigkeit von Menschen zur gemeinsamen Gestaltung einer sinnerfüllenden, leistungsstarken und zugleich nachhaltigen Gesellschaft ein.

«Was Gesellschaften zusammenhält, sind gemeinsame Hoffnung einer besseren kollektiven Zukunft.»

Die meisten Krisen sind mit einer individuellen und kollektiven Orientierungslosigkeit verbunden, heisst es im Hoffnungsbarometer 2021. In solchen Situationen entstehen Angst und Sorgen, die aber positiv genutzt werden können. Sie zeigen uns auf, dass die Situation neue Denk- und Verhaltensweisen erfordert. «Sowie Angst und Sorge ist auch die Hoffnung eine soziale Kraft mit der Überzeugung, dass unsere gemeinsame Zukunft besser sein kann als die Gegenwart, wenn wir uns dafür einsetzen», sagt Andreas Krafft. Der Hoffnungsforscher ist überzeugt: «Was Gesellschaften zusammenhält, sind gemeinsame Hoffnungen einer besseren kollektiven Zukunft. Diese Art von Hoffnung verbindet uns mit anderen Menschen, mit denen wir ein eine Gemeinschaft der Hoffnung aufbauen können. Anstatt nur auf unsere individuellen Ziele zu achten, lassen wir uns auf eine größere Gemeinschaft mit übergeordneten sozialen, ökologischen und auch wirtschaftlichen Zielen ein und verfolgen diese gemeinsam. Im Zentrum steht das Interesse, die Welt positiv zu gestalten, damit wir alle besser leben können. Der Fokus liegt darauf, wie wir im Einzelnen lernen und uns verändern und somit auch die Welt um uns herum gestalten.»