«Die Geister, die ich rief»
Anna Pletscher lebt seit einem Jahr in Steckborn im Thurgau. Die ursprünglich gelernte Hochbauzeichnerin, Architektin und Autodidaktin war bis vor zwei Jahren Unternehmerin für Städtebegrünung und ökologischen Lärmschutz. Heute verfasst die 54-Jährige Konzepte für Entwicklung und Revitalisierung von Regionen und Gesellschaft und ist am Aufbau von Projekten beteiligt, in denen sich Menschen mit ihren Fähigkeiten und Kapital für Gesellschaft und Umwelt einbringen. Im Rahmen unserer Rubrik «3 Lebensfragen» erzählt uns die zweifache Mutter mehr über die richtungsweisenden Momente in ihrem Leben.
Zeitpunkt: Welcher Moment hat ihr Leben in eine andere Richtung geführt? Ein Wendepunkt?
Anna Pletscher: Es ist im Frühjahr 2020 gewesen, als ich mich aufgrund des Lockdowns entschieden habe, meine unternehmerischen Tätigkeiten einzustellen und mir Gedanken über unser menschliches Dasein zu machen. Ich begann die Welt und die Menschheit aus der Vogelperspektive zu betrachten. Dabei bekam ich viele Visionen und Eingebungen, die anschliessend unter der Mitwirkung von vielen Menschen als Konzepte zu den Themen für den sozialen, ökologischen und ökonomischen Paradigmenwechsel verfasst wurden. Unter anderem entstand das Konzept «Modellcampus». Im Herzen des Projektes ist eine Schule, ein Ort für Weiterbildung von Lehrer und Lehrerinnen und Integration von Menschen aus der Region. Nach dem Motto «Die Geister, die ich rief» sind mir Menschen begegnet, die meine Visionen immer wieder unterstützen und diesen Weg mit mir weiter gehen.
Wenn Sie für einen Tag die Schweiz regieren könnten: Was würden Sie verändern?
Ich würde die soziale Dreigliederung nach Rudolf Steiner und einen neuen Lehrplan einführen. Damit wäre die Schweiz für viele Länder ein Beispiel für den Beginn einer neuen Zeit-Ära, in der das Wohl der Menschen, Respekt vor der Schöpfung, freie Wissenschaft und Bildung, «gesunde» Wirtschaft, Gemeinwohl, Potentialentfaltung, Integration und Lebendigkeit im Vordergrund stehen. Dann würde ich eine Stiftung gründen, die professionell Regionalentwicklungsprojekte begleitet, Menschen mobilisiert, in ihre eigene Region zu investieren, solidarische Landwirtschaft, Waldgarten, Permakultur, Agroforstprojekte, Bildung und alles lebensförderliche lanciert.
Ihre Vision der Welt 2050 – und wo sehen Sie sich?
2050? Dass der geistige und physische «Kampf» um die Erde und unsere Ressourcen längst begraben ist. Und dass die Menschen ihre geistigen und schöpferische Fähigkeiten bis dahin nützen, in Eigenverantwortung mit sich und ihrer Umwelt zu gehen, um jede Region der Welt zum Wohle von Menschen, Natur und Leben zu gestalten. Dazu braucht es ein neues Bewusstsein von jedem von uns sowie die Erkenntnis, dass das Geld den Menschen dient und nicht umgekehrt. Jeder von uns darf sich die Fragen stellen: Wer bin ich? Was ist der Sinn des Lebens? Was kann ich bewirken? Was macht mich glücklich und vital? Dies ermöglicht die Erkenntnis, dass das Geld im Grunde ein Mittel zum Zweck ist, um sinnvolle Initiativen und Projekte zu realisieren und möglichst vielen Menschen eine Lebensgrundlage zu ermöglichen.
Meine Vision ist, mit vielen Menschen in einer lebensbejahenden Lebens- und Dorfgemeinschaft zu leben und zu arbeiten. Ich schliesse meine Augen und stelle mir eine Gesellschaft vor, in der Ethik, Menschlichkeit, Hilfsbereitschaft, Respekt vor der Natur, schöpferische Kunst, Musik und unsere indigenen Kulturen gelebt werden. Jede Region bildet eine eigenverantwortliche Gemeinschaft und erzeugt ihre eigenen Produkte. Fruchtbare Böden liefern uns durch die regenerative Landwirtschaft und Permakultur ausreichend gesunde Nahrung. Die meisten Grünflächen bestehen aus Wald- und Gemeinschaftsgärten und jeder Mensch hat dazu freien Zugang und kann sich einbringen. Die Menschen sind miteinander verbunden und ergänzen sich. Ich schaue auf viele erfolgreiche Projekte, die in der Zeit entstanden sind.
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