Die Agrarpolitik müsse sich dem gesellschaftlichen Wandel und den Umweltzielen bei der Fleischproduktion endlich anpassen. Mehr als 70 Prozent der KonsumentenInnen würden höhere Preise akzeptieren, wenn sich die Produktionsbedigungen grundlegend ändern würden. Immer mehr Menschen essen weniger oder gar kein Fleisch, wie eine repräsentative Umfrage zeigte.

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Eine repräsentative Umfrage im kürzlich veröffentlichten «Fleischatlas 2021» der Heinrich-Böll-Stiftung und des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) zeige, dass mehr als 70 Prozent der 15 bis 29-Jährigen die Fleischproduktion in Deutschland in ihrer jetzigen Form ablehnen. Vierzig Prozent der Befragten hätten angegeben, wenig Fleisch zu essen und 13 Prozent ernährten sich ausschliesslich vegetarisch oder vegan – doppelt so viele wie im Gesamtdurchschnitt der Bevölkerung, schreibt das «Forum für Nachhaltig Wirtschaften» in einer Pressemitteilung. Begründet sei die kritische Haltung nicht zuletzt durch die deutliche Ablehnung der Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie, die mehr als 70 Prozent der Befragten als abstossend empfänden.

Die Heinrich-Böll Stiftung und der BUND fordern von der deutschen und europäischen Politik einen grundlegenden Umbau der Fleischproduktion und gezielte Strategien für einen Rückgang des Fleischverzehrs um mindestens die Hälfte. Der «Fleischatlas» zeige, dass die weltweite Fleischproduktion ohne Kurswechsel bis zum Jahr 2028 um 40 Millionen auf rund 360 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen könnte. Eine derartige Zunahme bei einem weiterhin zu hohen Pro-Kopf-Konsum in den Industrieländern verschärfe die Auswirkungen der Klimakrise für viele Menschen und weltweit. Denn schon jetzt verursache die Tierhaltung 14,5 Prozent der globalen Emissionen. Zudem befördere die Fleischproduktion den globalen Artenschwund.

«Die wirtschaftlichen Interessen der milliardenschweren Fleischindustrie und die Reformverweigerung der Politik halten uns auf einem dramatischen Irrweg, der die ökologischen Grenzen des Planeten sprengt. Das sehen inzwischen auch die jüngeren Generationen so: Sie akzeptieren das Geschäftsmodell der Fleischindustrie nicht mehr. Über 70 Prozent sind bereit, mehr für Fleisch zu zahlen, wenn die Produktionsbedingungen sich grundlegend ändern», sagt Barbara Unmüssig vom Vorstand der Heinrich-Böll-Stiftung. Und weiter sagt Unmüssig: «Die industrielle Fleischproduktion ist nicht nur für prekäre Arbeitsbedingungen verantwortlich, sondern vertreibt Menschen von ihrem Land, befeuert Waldrodungen, Pestizideinsätze und Biodiversitätsverluste. Die Fleischproduktion ist einer der wesentlichen Treiber der Klimakrise.» Auch Olaf Bandt, Vorsitzender des BUND sagt, die Politik müsse dem gesellschaftlichen Wandel endlich Rechnung tragen: «Dies erfordert eine weitreichende politische Neuausrichtung der Agrarpolitik, aber die Agrarwende wird ohne eine Ernährungswende nicht zu schaffen sein. Niedrige Preise machen es den Bäuerinnen und Bauern schwer, auf die gestiegenen Anforderungen nach mehr Umweltschutz und mehr Tierwohl zu reagieren», so Bandt.

Deutschland habe bei der Erzeugung von Schweinefleisch und Milch – mit einem Marktanteil von über 20 Prozent – die Spitzenposition in der EU erreicht, sagt Bandt. Bedenklich sei zudem, dass die Zahlen bei Schweinen besonders in Nordrhein-Westfalen und Niedersachen gestiegen seien, dort, wo bereits überdurchschnittlich viele Tiere gehalten würden. Damit werde die Verschmutzung des Grundwassers in diesen Regionen noch weiter verschärft.