19. Feb 23
«Morgen beginnt das letzte Schulhalbjahr», schrieb ich am 17. April 1972 ins Tagebuch. «Ich bin froh. Vom Herbst an muss ich dann über mein Leben ganz selbst entscheiden.»
15. Feb 23
Beim Besuch einer Tessiner Bekannten gab sie uns ein Buch mit nach Hause, von dem sie glaubte, es würde auch uns gefallen. Sie fand es an einem ungewöhnlichen Ort, nämlich in einer Bücherkiste am Rande ihres Dorfes.
08. Feb 23
Wenn ich einen Menschen als Phänomen bezeichne, dann ist es ein erstaunlicher Mensch – dann meine ich damit, dass mich dieser Mensch durch seine Aussergewöhnlichkeit beeindruckt. Ein solches Phänomen ist zweifellos Roger Köppel, seines Zeichens Chefredaktor der Weltwoche und SVP-Nationalrat.
05. Feb 23
Mein Hunger nach echtem Leben war im letzten Jahr vor dem Schulabschluss so unstillbar geworden, dass alles Jammern im Tagebuch, alles Schreiben und Veröffentlichen nichts nützte. Ich wollte nicht mehr nur schreiben, ich wollte handeln, etwas bewegen, mich engagieren.
01. Feb 23
In Florida war das Flugzeug gestartet. An Bord des ausgebuchten Fluges lauter Ferienheimkehrer, die den Jahreswechsel an Floridas Sonne verbracht hatten, unter ihnen eine Bekannte von mir. Unter ihnen auch ein älterer Mann, der so beleibt war, dass er fast zwei Sitze für sich allein brauchte.
25. Jan 23
Im Oberstufenschulhaus der Aargauer Gemeinde Lengnau muss ein 13-jähriger Schüler für den Unterricht die Tür des Klassenzimmers ausmessen.
22. Jan 23
Der Frühling vor dem letzten Semester im Wirtschaftsgymnasium, vor der letzten Meile zur ersehnten Matura begann für mich persönlich mit einer Romanze, von der ich mir ein Ende des Wartens und Sehnens erhoffte. Am 6.
18. Jan 23
Es ist nur ein Wort, nur ein Verb, aber ich habe es noch nie so gelesen, und es lässt mich frösteln. Ein junger Mann aus Libyen hat im Pariser Gare du Nord vor einigen Tagen mit einem Messer wahllos auf Passanten eingestochen und dabei sechs Personen verletzt, eine Person sogar schwer.
11. Jan 23
Ein Plakat am Strassenrand weckt einmal mehr meine Aufmerksamkeit. Es ist Teil einer Kampagne, doch die Botschaft ist immer die gleiche.
08. Jan 23
Am Jahresende, an der Schwelle zum Jahr 1972, schrieb ich ins Tagebuch: «Meine Lebensdevise: Immer nach dem Warum fragen.» 
03. Jan 23
Auf unserem Neujahrsspaziergang bei anhaltend milden Temperaturen im schneefreien Berggebiet treffen wir auf einen Wanderer mittleren Alters, und wir wechseln mit ihm ein paar Worte darüber, dass wir mitten im Winter, anstatt Ski zu fahren, auf grünen Wanderwegen zu Fuss unterwegs sind.
25. Dez 22
«Die Angst des Tormanns beim Elfmeter» hiess sein neuestes Buch, und allein schon der Titel übte eine Faszination auf mich aus. Er vereinigte zwei Dinge in sich, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun hatten: den Fussball und das Gefühl der Angst.
21. Dez 22
Der Satz will mir nicht aus dem Kopf. Und ich begreife noch immer nicht, wie ein humanistisch gebildeter Mensch einen solchen Satz aussprechen, wie er ihn nur schon denken kann.
14. Dez 22
Ich habe mich gefreut über die beiden neuen Bundesräte. Beide kommen vom Land. Beide haben etwas Bodenständiges.
11. Dez 22
Der Höhenflug unseres literarischen Strassenmagazins «Manuskript» setzte sich fort. Nur ein Jahr nach der ersten Nummer verkauften wir bereits 1’000 Stück und erhöhten den Preis für die Einzelnummer auf einen Franken.
07. Dez 22
Die letzten Feriengäste waren gegangen, unser Rückzugsort in der Surselva gehörte für die nächste Zeit wieder uns, und Dumeng, ein Arbeiter aus dem Dorf, fuhr mit seinem Pickup vors Haus. Er kam, um den prall gefüllten Kompostbehälter zu leeren.
30. Nov 22
In den frühen Morgenstunden am letzten Sonntag hat ein 28-jähriger Schweizer – so stand es in der Zeitung – vor der Zeughausbar in Uster einen anderen jungen Schweizer erstochen.
27. Nov 22
Unser Verkaufserfolg im Literatencafé verhalf uns zum Durchbruch. Von der Nummer 3 unseres Blattes verkauften wir im «Odeon» bereits 50 Stück, und ebenso vielversprechend war der Verkauf vor Theatereingängen und Lesungen.
23. Nov 22
Ein Mann aus Uster macht einen guten Job. Zusammen mit einem Team von Freiwilligen rettet er seit Jahren Lebensmittel. Er gibt sie gratis oder sehr günstig ab und versteht seine Arbeit als eine Aktion gegen Food Waste.
16. Nov 22
Ich habe immer gedacht, ich sei altmodisch. Denn ich habe gern alte Häuser, und das beginnt schon beim Gartentor.